Bemerkenswerte Geschichten von Frauen, die Ihren Traum von der Fliegerei wahr machten, vielen Männern zum Trotz.
Pilotinnen – Eine historische Reise
Heldinnen am Himmel – mutige Frauen erobern im 20. Jahrhundert die Lüfte. Sie sind die Stars der Fliegerei in der Neuzeit. Die Pilotinnen Käthe Paulus, Elly Beinhorn, Melitta Staufenberg, Hanna Reitsch und Beate Uhse fliegen allen Herausforderern zum Trotz atemberaubende Rekorde ein. In den ersten Jahren der Luftfahrt sind Frauen im Cockpit die Sensation – manchmal sind sie ein Skandal. Umso bemerkenswerter sind die Geschichten dieser Pionierinnen. In einem von Männern dominierten Beruf schafften es Pilotinnen nur mit Hartnäckigkeit, Mut und Können zu jenen Wegbereiterinnen, die uns jetzt in der Historie der Luftfahrt begegnen.
Melli Beese – Deutschlands erste Pilotin mit Flugschein Nr. 115
Todesmutige Abenteurerinnen mischen die Luftfahrt auf, Melli Beese gehört dazu. Als erste Frau Deutschlands macht sie einen Pilotenschein und kämpft in der Laufbahn eher mit dem männlichen Ego von Kollegen, weniger mit der Technik. Amelie Hedwig, wie Melli Beese mit bürgerlichem Namen heißt, wird bei ihren ersten Übungsflügen von Knochenbrüchen begleitet. Eine schmerzhafte Erfahrung für sie, aber als angehende Pilotin kein Grund zum Aufgeben. Ihre Probleme liegen nicht an den zerbrechlichen Flugzeugen oder unzureichenden Flugkünsten, sondern an den Männern, die schlichtweg keine Frauen als Fliegerinnen akzeptieren möchten. Vor gut 100 Jahren gab es unter den Piloten keinen Frauenanteil, aber jede Menge dummer Sprüche und Sabotageakte.
Zahlreiche Fluglehrer lehnen sie ab. Die Dresdnerin Melli Beese beißt sich durch und erhält 1911 an ihrem 25. Geburtstag als erste Frau Deutschlands den Pilotenschein mit der Nummer 115. Dieser besagt, dass Melli Beese der 115te Mensch im Land war, der überhaupt im Cockpit eines Flugzeuges Platz nehmen durfte. Auf der Berliner Zeitung steht die Schlagzeile: „Was das kleine Fräulein im Flug mit ihrer Rumpler-Taube leistet, könnte so manchem ihrer männlichen Berufskollegen zur Ehre gereichen“. Männer sabotieren mehrmals ihr Flugzeug, doch die erste Pilotin gibt nicht so schnell auf. Sie macht den Traum vom Fliegen wahr und manifestiert den ersten Frauenanteil in der Geschichte namhafter Pilotinnen. Sie will mehr, angetrieben von Ehrgeiz, stellt sie mit 825 Metern einen Höhenweltrekord für Pilotinnen auf, eröffnet ihre eigene Flugschule, konstruiert Flugzeuge und beteiligt sich an einer Flugzeugfabrik. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutet das Aus für diesen Job. Es folgen emotional schwierige Jahre für die Pilotin mit der Flugscheinnummer 115. Bis sie sich 1925 das Leben nimmt. Angeblich stand auf einem Zettel, den die Ausnahmefliegerin notiert haben soll: „Fliegen ist notwendig. Zu leben ist es nicht“.
Elly Beinhorn – Flugpionierin im Alleinflug um die Welt
Die Hannoveranerin Elly Beinhorn lebte in einer Zeit, in der Frauen den Beruf Pilotin nicht ausüben durften. Auf der Langstrecke macht ihr niemand etwas vor. Mit gerade einmal 23 Jahren steuert sie im Alleinflug das Cockpit nach Afrika, nur 2 Jahre später geht es in luftiger Höhe einmal um die Welt. Der Spross einer angesehenen Kaufmannsfamilie träumt von großen Abenteuern und entwickelt eine eigenwillige Persönlichkeit. In Berlin schreibt die lebensfrohe Elly Geschichte, schafft Unmögliches: Sie erhält am 04. Januar 1931 den Sportflugschein und bricht wenige Wochen später ohne Funk, Navigationssystem und Radar nach Afrika auf. Im Alleinflug navigiert Elly das Leichtflugzeug nach 70 Stunden und 7.000 Kilometern ans Ziel nach Bolama im heutigen Guinea-Bissau.
Am Rückweg droht das Fiasko. Ein Ölrohrbruch zwingt die Pilotin in der Wüste zur Notlandung. 4 Tage Ungewissheit, die Pionierin rettet zu Fuß ihr Leben und setzt per Telegraf aus Timbutku ein erstes Lebenszeichen. Elly Beinhorn ist schlagartig berühmt. Die Fliegerei und ihre Szene kennt keine Frauen im Cockpit, einen Frauenanteil gibt es nicht. Daran verschwendet die toughe Hannoveranerin keine Gedanken und stellt in den 1930er-Jahren einige Langstreckenrekorde auf. 3 Kontinente an einem Tag? Für Elly Beinhorn ein Meisterstück. Der Pilotin gelingt dieser Clou 1936 auf der Strecke Berlin – Damaskus – Kairo – Athen – Budapest – Berlin. Flüge nach Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika werden für die starke Frau im Flugzeug zur Routine.
Hanna Reitsch und die Lust abzuheben
Testpilotin Hanna Reitsch flog den ersten funktionstüchtigen Vorläufer heutiger Hubschrauber, den Tragschrauber Fw 61. Begleitet von Flugträumen, unternimmt die Schlesierin echte Abenteuer und wagt 1933 als ausgebildete Fluglehrerin eine Expedition nach Südamerika.
Hanna will mehr, viel mehr – und sie geht aufs Ganze. Als eine der ersten Frauen in Deutschland darf die Pilotin ein Flugzeug fliegen und gibt sich der Fliegerei hin. Der Frauenanteil im Cockpit beschränkt sich auf ein paar wenige, als ihr 1937 der Tragschrauber Fw 61 zum Fliegen angeboten wird. Kein Flugzeug, sondern der Prototyp eines Hubschraubers mit Mini-Propellern. Im selben Jahr wird Hanna als Testpilotin der Luftwaffe einberufen. Der weibliche Superstar im NS-Regime fliegt Bomber, Stukas und Jagdflugzeuge. Mit 59 Jahren widmet sich die erste Flugkapitänin der Welt neben der professionellen Fliegerei dem Wettbewerb. Die Überfliegerin gewinnt in der Damenklasse die Hubschrauber-Weltmeisterschaft. Ständig schrammt Sie an Grenzen, fliegt mehr als 40 Rekorde oder wagt Sturzflüge aus 6.000 Metern Höhe. Nichts für schwache Nerven. Hanna Reitsch gilt, wen wundert es, als hochgradig unerschrocken.
Beate Uhse – berühmte Pilotin und erfolgreiche Unternehmerin
Beate Uhse legte sowohl eine steile Flugkarriere als auch eine Karriere als Unternehmerin hin. In beiden Bereichen gilt sie als die erste Frau weltweit: im Stunt-Flug und Handel für Erotikartikel. Waghalsige Manöver erlebt die junge Ostpreußin schon früh. Mit 18 Jahren erwirbt Beate die den Pilotenschein, ein Jahr später besteht sie die Kunstflugprüfung.
Bevor die Pilotin 1944 zur Luftwaffe einberufen wird, gewinnt Uhse zahlreiche Wettbewerbe in unterschiedlichen Flugzeugen und arbeitet als Werkspilotin bei Flugzeugfirmen. Beate Uhse führt als “Hauptmann” der Luftwaffe unzählige Jagdflugzeuge an die Front. Bleibt aber im Cockpit eine weibliche Ausnahmeerscheinung. Nach dem Zweiten Weltkrieg und britischer Kriegsgefangenschaft gibt die später erfolgreiche Unternehmerin die Fliegerei auf.
Amelia Earhart – „Lady Lindy“ auf Weltumrundung
Ein Hoch auf die emanzipierte Weiblichkeit! Die amerikanische Pilotin macht sich als erste Frau für die weiblichen Rechte außerhalb des Cockpits stark. In den 1920er-Jahren wird sie in den USA für Ihre Leistungen gefeiert, überquert 1932 im Alleinflug in einer roten Lockheed Vega 5B den Atlantik – Start in Neufundland, Landung in der Nähe von Londonderry. Nur 3 Jahre später ein weiterer Rekord: Amelia fliegt als erster Mensch von Honolulu auf Hawaii nach Oakland in Kalifornien. Lady Lindy ist ein Promi. Wo immer die Pilotin mit Ihrem Flugzeug landet, strömen Männer und Frauen zusammen, bejubeln den „Megastar“. Zahlreiche Rekorde hält Earhart bereits, mit 40 Jahren plant die abenteuerlustige Amerikanerin den schwierigsten Flug ihres Lebens. Beim Versuch, die Welt im Flug am Äquator zu umrunden, verschwindet die erfahrenste unter den Pilotinnen ihrer Zeit über dem Pazifik vom Radar. Lange gilt die mutige Frau im Cockpit als verschollen, 2018 erklären amerikanische Forensiker: Auf der Insel Nikumaroro gefundene Knochen stammen von Amelia Earhart.
Als erste Frau auf waghalsigem Rekordflug
Amelia Earhart sucht die Anerkennung, will schaffen, was neu ist. Sie plant mit ihrem Mann, dem Verleger George P. Putnam, eine Erdumrundung. In dieses Vorhaben investieren beide fast ihr ganzes Vermögen. Eine zweimotorige Lockheed Electra wird extra für den Langstreckenflug umgerüstet – wieder geht ihr Traum vom Fliegen in Erfüllung. Nach 28 Tagen und zahlreichen Zwischenlandungen unter anderem in Singapur, Dakar und Kalkutta erreicht die Bekannteste aller Pilotinnen mit ihrem Navigator Fred Noonan Papua-Neuguinea. Alles scheint perfekt, Triumph liegt in der Luft. Amelias Mann bereitet für den 4. Juli den Empfang in Kalifornien vor, passend zum Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten. Ruhm & Ehre? Für die Heldin der Troposphäre ist alles vorbereitet. Vor der Crew liegt noch die größte Herausforderung: die Überquerung des Pazifiks. Ein letzter Zwischenstopp – ein Blick zurück auf die Emotionen – auf der winzigen Insel Howland Island wird aufgetankt. Doch dazu kommt es nicht mehr. Die Pilotin und ihr Begleiter fliegen die letzte Etappe ohne funktionierende Empfangsantenne. Vermutlich bricht diese beim Start der vollgetankten Electra bodenseitig ab. Ein verhängnisvoller Zwischenfall, niemand bemerkt etwas. Die Maschine empfängt kaum noch Informationen von den Bodenstationen. Als sich die beiden nach 20 Stunden Flug in der Nähe von Howland Island wähnen, setzen sie einen letzten Funkspruch ab. Wartende Offiziere empfangen ihn, danach verschwindet das Flugzeug spurlos. Die US-Navy sucht nach Earhart und Noonan mit mehr als 60 Maschinen – die Starpilotin und ihr Navigator bleiben verschollen.
Emanzipation durch Aviatik – wie viele Pilotinnen gibt es heute?
100 Jahre später sind Pilotinnen in Cockpits noch immer mit einem geringen Frauenanteil von 5 % vertreten. Weltweit gibt es 1,42 % in der Position als “Flugkapitän”. Weibliche Fliegerinnen gesucht! Mit einem Frauenanteil von rund 12 % ist die australische Airline Qantas Spitzenreiter in Sachen Pilotinnen. Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Die aktuellen Lizenzen machen es deutlich. 175.900 Piloten und nur knapp 9.400 Pilotinnen nehmen im Cockpit verschiedenster Airlines ihren Platz ein.
Im gesellschaftspolitisch offenen Teil der Weimarer Republik werden die Pilotinnen als Prototyp inszeniert. Einzelnen Fliegerinnen aus besser situierten Schichten gelingt es, das traditionelle Rollenbild zu überschreiten und die Welt im Flug zu erobern. Der Frauenanteil beim Fliegen liegt im Widerspruch zur Mehrheitsbevölkerung. Doch der Jugend gefällt es. Emanzipation, Modernität und Weltoffenheit vereinen die Pilotinnen mit Technikbegeisterung. Veränderte Moralvorstellungen und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung stärken den jungen Pionierinnen den Rücken.